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Von Rucola und dem Männlichen

Lara Walser, Epsach

An einem schönen Sonntagmorgen sass ich mit einer Freundin in der Gondel Richtung Saanersloch. Es ist nicht so, dass ich alltäglich in der Gondel sitze, im Gegenteil. Dies ist sogar eher selten der Fall. Skifahren ist für mich absolut die Qual. Also sitzen wir zwei Frauen in dieser Gondel. Die einzigen ohne Skiausrüstung natürlich. Wie es die heutige Zeit so will, knipsen wir fleissig Fotos von der Umgebung, dem wunderschönen Wetter und nochmals von der Umgebung. Alleine bei der Fahrt nach oben sind bestimmt 20 Fotos und noch 2 Videos entstanden. Grob geschätzt.
Ich kann sehen, wie sich ein Mann aus der Gruppe neben uns, sie waren zu viert, köstlich amüsiert. Seine Partnerin fragt ihn: „Was hast du denn?“ Er antwortet höflich und immer noch mit einem Grinsen im Gesicht. „Nichts, ich bin einfach nur glücklich.“ Man hat ihr angemerkt, dass sie ihm diese Antwort nicht ganz glaubte. Ich übrigens auch nicht. Ich bin bis heute davon überzeugt, dass er wegen uns grinsen musste. Zwei junge Frauen, keine Ahnung vom Gondelfahren und total überwältigt von der Umgebung, knipsen Fotos in einer Tour. Das ist schon ein Grund zum Schmunzeln. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es zu der Zeit, als er in unserem Alter war, wohl eher untypisch war, mit dem Handy in der Gondel zu sitzen und alles zu dokumentieren. Ich fands richtig witzig und ich finde es interessant, wie höflich und zurückhaltend der Schweizer ist. Typisch würde ich sagen.
Plötzlich konnte man die peinliche Stille nicht nur hören, sondern auch spüren. Krampfhaft wurde nach einem neutralen Thema gesucht. Worüber könnten wir jetzt reden, damit die ganze Situation wieder an Normalität gewinnt?
Da fragte seine Partnerin nach dem Mittagessen. Wo sollten sie einkehren fürs Mittagessen?
Sie sprachen von irgendeinem Restaurant, fragt mich nicht mehr, wie es heisst, denn ich habe sowieso keine Ahnung von Skigebieten und deren Restaurants.
Die Diskussion ging los: „Da gibt es doch so guten Rucolasalat.“
„Mhm, ja.“ „Ach, weisst du, in diesem anderen Restaurant, wo wir letztens waren, da gibt es auch so leckeren Rucolasalat.“ „Ja, aber hier ist das Dressing besser.“ „Sonst esse ich dann woanders.“
„Ahja, stimmt. Du magst ja keinen Rucola.“ „Ich liebe Rucola.“ „Ich mag ihn auch nicht so.“
Ich konnte mir das Lachen echt nicht verkneifen. Im Gegensatz zu den meisten Schweizern bin ich nämlich nicht sehr diplomatisch und zurückhaltend. Ich musste echt lachen. Prustend brachte ich folgende Worte zustande: „Tut mir leid, dass ich lache, aber mir gefällt die Tatsache, dass ihr so intensiv über Rucola diskutieren könnt.“ Und so entstand eine lustige Gondel-
diskussion.
Die Frau neben mir fragte mich dann, ob ich denn Rucola auch nicht mögen würde. Und so ging die Diskussion weiter. Ich erzählte ihnen dann auch davon, dass sie mich inspiriert haben, diese Geschichte als nächstes Editorial zu benutzen.
Ein paar Tage später erzählte mir jemand auch eine Geschichte aus der Gondel. Und zwar haben sich da ein paar Jugendliche darüber unterhalten, dass es ja eigentlich jetzt auch einen neuen Namen für den Männlichen geben müsste, weil jetzt ja alle Wörter dem ganzen Er/Sie/Es angepasst werden. Und, wenn sie schon nicht den Namen ändern, sollten sie wenigstens, einen Berg den Weiblichen taufen. Oder sowas. Weiter will ich auch gar nicht auf dieses Thema eingehen, denn ich würde mich immer wieder für die Gondel mit dem Rucola entscheiden. Wisst ihr warum?
Ich habe noch nie jemanden über Rucola streiten sehen. Ob ich ihn jetzt mag und du nicht, das interessiert sozusagen keinen Menschen und selbst wenn, wird die Meinung des anderen einfach respektiert oder zumindest akzeptiert. Es geht ja um sowas Unwichtiges wie Rucola. Doch warum müssen wir uns über gewisse Themen so extrem streiten? Warum können wir nicht auch bei anderen Themen die Meinung des Gegenübers hinnehmen, wie sie nun mal ist. Ohne zu werten, ohne ihn von etwas anderem zu überzeugen?
Und von nun an fragst Du dich vielleicht bei jeder Diskussion, ob Du wirklich darüber streiten sollst oder nicht. Beim Rucola würdest Du es doch auch nicht tun, oder?
Übrigens, ich mag Rucola …

In Liebe, Lara


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