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Platz für Alle

Lara Walser, Epsach

Bei meinen täglichen Spaziergängen durch den Wald erlebe ich so einiges. Vieles erfreut mich, manches eher nicht. Das Gleichgewicht sollte ja auch gehalten werden, oder? Man kann nicht nur Gutes oder nur Schlechtes erleben. Das wäre ja langweilig. Ich neige zum Glück dazu, mich lieber an das Positive zu erinnern und meinen Alltag von dem beeinflussen zu lassen.

Ich habe mir fest vorgenommen diese Geschichte immer wieder zu erzählen, wo auch immer es möglich ist. Ich erzähle sie dem Fahrradfahrer, der sich über die Reiter aufregt. Dem Hundehalter, der sich über die Fahrradfahrer aufregt. Dem Fischer, der sich über die schwimmenden Kinder aufregt.
Und ich erzähle sie auch immer wieder mir selbst, wenn ich mich auch mal wieder über irgendwen aufrege.

An einem heissen Sommertag waren wir mit unseren Hunden im Wald unterwegs. Der kleine Trampelpfad, auf dem wir gingen, war kaum noch zu erkennen. Völlig zugewuchert von Brennnesseln, Dornen und anderen Pflanzen. Gerne nehmen wir solche Wege, da die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu treffen, ziemlich gering ist.

Wir folgten also dem geschlängelten Weg und genossen die Ruhe, die Energie des Waldes, den Schatten der Bäume und die Geräusche der Natur. All das wurde von einem warnenden Bellen unterbrochen. Plötzlich stand ein Fahrradfahrer vor uns. Er hat ganz abrupt gebremst und gewartet. Auch er hat anscheinend nicht mit Gegenverkehr gerechnet. Unser damals 8 – 9 Monate alter Rüde war völlig überrascht und auch etwas verunsichert von diesem Gefährt. Er bellte noch eine Weile, bis ich ihn beruhigen konnte. Ich habe ihn zu mir genommen und mich beim Fahrradfahrer entschuldigt. Eigentlich rechnete ich mit einer patzigen Antwort oder einer Standpauke darüber, wie doof er uns Hundehalter finden würde usw. Doch das war ein Mensch der besonderen Sorte. Er lächelte mich an und sagte: „Ach, das ist doch kein Problem, es ist genug Platz für Alle.“ Stimmt. Recht hat er. Ich bedankte mich und wir gingen beide unseres Weges.
Dieser eine Satz, hat in mir so viel ausgelöst. Seit dieser Begegnung gehe ich mit einer ganz anderen Haltung durch die Welt. Viele von uns haben einen Alltag, dem sie gerne ab und zu entfliehen. Die Natur bietet uns viele Gelegenheiten und Plätze, in denen wir uns aufhalten dürfen. Sie versorgt uns mit Schatten, Wasser, Ruhe, Kraft und Energie. Es ist klar, dass jeder von uns das Recht hat sich in der Natur aufzuhalten. Ich denke, wenn wir uns alle vor Augen halten, dass es genug Platz hat für alle und einander diesen Platz auch gönnen, einander mit Respekt, Verständnis und Anstand begegnen und diesen Respekt, das Verständnis, die Rücksicht und den Anstand auch der Natur entgegenbringen, dann haben wir uns diesen Platz auch verdient.

Es wird immer diesen einen Hundehalter geben, der den Hundekot nicht aufnimmt. Sowie diesen einen Fahrradfahrer, der nicht klingelt und Dich fast über den Haufen fährt oder die Reiterin, die denkt der ganze Weg würde nur ihr gehören. Der Rentner, der sich sowieso über alles und jeden ärgert, die Wanderer, die ihren Müll liegen lassen und den Jogger, der nicht abbremst, obwohl man grade noch den Hund zurückruft. Aber es wird eben auch immer die anderen geben. Diejenigen, die mit einem freundlichen Lächeln ein paar Worte mit uns wechseln. Solche, die Verständnis haben, uns einen guten Tag wünschen und uns daran erinnern, dass es immer diese und jene geben wird.

Ändern können wir die anderen nicht, aber wir können dafür sorgen, dieser eine Mensch zu sein, an den man sich mit einem Lächeln erinnert und sich denkt: „Wie recht Er/Sie doch hat, denn es ist Platz für Alle.“

In Liebe

Lara


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